Elternzeit 2017

Liebe Leser*innen, 

letztes Jahr bekam ich die schöne Nachricht: Ich werde Vater! Seither ist das Leben anders und ich habe mich mit vielen Fragen auseinandergesetzt, die für mich völlig neu waren. Dazu gehörte auch: Wie ist das mit Elternzeit für Abgeordnete? Schließlich will ich nicht nur weiterhin leidenschaftlich Politik machen und mein Landtagsmandat gewissenhaft ausfüllen, sondern auch ein guter Vater sein (was bekanntermaßen ja für jeden unterschiedlich definiert ist). 

Nun wird das Thema auch öffentlich diskutiert: Z.B. in den Potsdamer Neuesten Nachrichten http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/1159255/  oder in der Märkischen Allgemeinen Zeitung http://www.maz-online.de/Brandenburg/Landtag-plant-neue-Regeln-fuer-Elternzeit-und-Diaeten

Das finde ich gut, eine Debatte zur Familienfreundlichkeit in der Politik in Brandenburg halte ich für längst überfällig. Da gibt es sicher kein Richtig oder Falsch, aus meiner Sicht ist aber noch viel zu tun. Ich finde, dass es im Landtag eine allgemein anerkannte Regelung geben sollte, wenn eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter eine Zeitlang die Arbeit reduziert – etwa für Kinder oder zur Pflege von Familienangehörigen. 

Vorerst habe ich einige Fragen dazu für mich beantwortet, die Antworten möchte ich hier mit Ihnen teilen. Für Rückmeldungen schon vorab vielen Dank! 

Wie lange dauert meine „Elternzeit“?

Ich nehme keine „klassische“ Elternzeit,  etwas Vergleichbares gibt es für Abgeordnete nicht (was ich persönlich falsch finde). Für Abgeordnete gibt es keine Vertretung.  Sie können daher die Arbeit nicht für eine Zeitlang komplett abgeben (anders als der klassische Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin), sondern bleiben die ganze Zeit in der Verantwortung. Wir können unsere Arbeit nur nach eigenem Ermessen und Gewissen reduzieren. Das habe ich rund um die Geburt meines  Kindes Ende Oktober 2016 getan und war 10 Tage nicht im Landtag. Ende April bis Anfang Juni werde ich ebenfalls deutlich reduzieren. Inklusive der sitzungsfreien Zeit während der Osterferien und an Pfingsten bin ich damit vom 11. April bis 06. Juni nicht im Landtag.  

Gibt es eine Vertretung, wer macht dann meine Arbeit?

Für Abgeordnete gibt es keine Elternzeitvertretung, wenn sie die Arbeit zum Beispiel für die Familie reduzieren, länger  krank oder im Urlaub sind. Ich bin meinen Kolleginnen und Kollegen aus der Fraktion daher sehr dankbar, dass sie mich im Mai während des Plenums und in meinen drei Ausschüssen vertreten. Mit ihnen und mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern habe ich Vereinbarungen getroffen, damit während meiner Abwesenheit nichts „anbrennt“ und meine wichtigsten Aufgaben erfüllt werden. Meine Mitarbeiter*innen sind wie gehabt erreichbar und können mich bei Bedarf auch jederzeit erreichen.  

Was passiert mit meiner „Diät“?

Abgeordnete erhalten relativ viel Geld für Ihre Arbeit, daher ist die Frage berechtigt. Erst einmal: Was bekommen Abgeordnete? Das orientiert sich grob an der Besoldung eines hauptamtlichen Bürgermeisters oder Bürgermeisterin einer mittelgroßen Stadt (Besoldungsgruppe B3 – B4). Konkret bekommen wir pro Monat 7.967,35 Euro brutto (zuzüglich Zuschüssen zur Rentenversicherung).   

Was ist das netto? Das ist sehr unterschiedlich, je nach Steuerklasse, Konfession, Ausgaben im Wahlkreisbüro und vieles mehr. Unsere Fraktion hat mal eine Musterrechnung für eine/einen Abgeordneten erstellt, der/die nicht verheiratet, kirchlich gebunden und Mitglied der Grünen ist: 

Einnahme: +7.967,35 €               Abgeordnetenentschädigung

Ausgaben:

– 800, 00 €           Wahlkreisbüro/mandatsbezogene Werbungskosten (pauschaler Ansatz)

– 1.090, 00 €        Mandatsträgerabgabe an die Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (ca. 15%)

– 2.234, 00 €        Einkommenssteuer (Steuersatz 2016)

– 360, 00 €           Eigenanteil an Kranken- und Pflegeversicherung

– 123,00 €            Solidaritätszuschlag

– 201,00 €            Kirchensteuer

= 3.159,35 € netto

Das ist wie gesagt nur eine Musterrechnung und bei nahezu jeder/jedem anders. 

Als Angestellter oder Selbstständige hat man einen Rechtsanspruch auf Elternzeit und erhält Elterngeld in Höhe von 67% des Nettogehaltes der letzten 12 Monate, maximal aber 1.800 Euro netto pro Monat. Ein solches Elterngeld gibt es für Abgeordnete nicht, die Diät wird in jedem Fall gezahlt. Ich finde, hier braucht es eine Regelung. Und soweit ich bisher in Erfahrungen bringen konnte, können Abgeordnete auch nicht auf einen Teil ihrer Diät verzichten. 

Und nun? Was mache ich mit dem Geld?

Ich streite dafür, dass es auch für Abgeordnete eine Art Elternzeit und damit Elterngeld gibt, das sich an dem Elterngeld für Angestellte und Selbstständige orientiert. So lange es noch keine Regelung gibt, muss jede und jeder Abgeordnete für sich selbst entscheiden, wie er oder sie damit umgeht.  Aus der bisherigen Debatte habe ich gelernt, dass es viele Für und Wider für die jeweilige Entscheidung gibt.   

Ich selbst habe mich entschieden, die Differenz zwischen meinem „theoretischen“ Elterngeld und meinem „Netto“ zu spenden. Ich unterstütze damit den Bund der freiberuflichen Hebammen,  da viele freiberufliche Hebammen gerade in einer sehr schwierigen Lage sind und ich sehr dankbar dafür bin, dass wir eine (übrigens tolle!) Hebamme gefunden haben.    

Was gibt es noch zu tun? 

Wie Sie sehen, befinde ich mich mit meinem Wunsch nach einer Art Elternzeit und den bestehenden Regelungen für Abgeordnete in einem Dilemma. In meinem konkreten Fall habe ich versucht, diese Fragen für mich persönlich und mit meinen Kolleginnen und Kollegen verantwortungsvoll und so gut wie möglich zu regeln. 

Insgesamt aber möchte ich, dass Politik familienfreundlicher wird, auch, damit das Parlament die Gesellschaft besser widerspiegelt. Hürden, die jungen Menschen mit Kindern bzw. Kinderwunsch oder Menschen mit zu pflegenden Angehörigen von der Politik ausgrenzen, müssen wir abbauen. Momentan liegt der Frauenanteil im Brandenburger Landtag bei nur 38,6% und auch der Altersdurchschnitt ist mit 50,5 Jahren viel höher als der Altersdurchschnitt der Brandenburger Bevölkerung. 

Ich habe deshalb unter anderem vorgeschlagen, eine Arbeitsgruppe „Familienfreundlicher Landtag“ einzurichten. Diese soll sich nicht nur mit einer allgemeinen Regelung für Zeiten mit reduzierter Arbeitskraft („Elternzeit“ oder „Pflegezeit“) von Abgeordneten beschäftigen. Dazu wurde inzwischen auch der wissenschaftliche Dienst des Landtags um eine Einschätzung gebeten. Die bisherigen Gespräche im Landtag zur Familienfreundlichkeit haben mir gezeigt, dass auch die Länge gerade von Abendsitzungen für Abgeordneten wie für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den Prüfstand gehört, dass es Vorschläge für ein Spielzimmer für Kinder gibt und vieles mehr.  

Für all das braucht es weiter eine öffentliche Debatte und Anstrengungen im Landtag, welche in Brandenburg einige Zeit in Anspruch nehmen werden. Ich freue mich, wenn Sie mir Ihre Anregungen und Fragen zu diesem Thema schicken. 

Benjamin Raschke, 17. April 2017

Links zum Weiterlesen